Die kleine Amsel ~ wird groß

 

vor vielen Jahre, also als ich noch im Stadium der Findungsphase auf dem morgendlichen Weg zur Ausbildungsstelle war, plumste plötzlich genau neben mir irgend etwas in die frisch beerdete Baumscheibe eines Stadtbaumes. Bei näherem Betrachten war es ein kleiner, fast nackter Vogel, den man gerade so, als Amselkücken ausmachen konnte.
Tja, und da ich eigentlich von Kindesbeinen an alles "lebensrettend" mit nach Hause nehmen musste, ob Maikäfer, schöne Raupen, Spatz, Taube und Co., war das kleine kahle Wesen eigentlich genau der Richtigen vor die Füße gefallen. (Nebenbei bemerkt scheiterte ein heroischer Einsatz der Lebensrettung bei einem Teichhuhn, denn ich hatte es auf ein Heizkissen gesetzt, weil ich fand, dass es kuschelige Mutterwärme benötigte- *Wasser wäre vielleicht besser gewesen).

Bei der Arbeit eingetroffen, entpuppten sich alle Kollegen als Mutter- oder Vatertiere und gaben mir von Ihrem Pausenproviant, Ei- Stückchen oder dergleichen als Fütterungsunterstützung und waren fast nicht von meinem kleinen Vogel abzubringen.

Irgendwann kamen wir jedoch zu Hause (damals in meiner Einzimmerwohnung) an, ich nahm den Vogelkäfig unserer Wellensittiche, kaufte Mehlwürmer, die ich *eckeliger Weise" in Lebendform verfüttern musste und zum Teil zuvor teilen musste, damit mein kleiner Schützling Kraft tanken konnte.

Wie auch immer, es gelang mir mit Pipette und anderen Hilfsmittelchen, die kleine Amsel am Leben zu halten. Auch erfuhr ich mit gerade mal 20 Jahren, wie es sein musste, wenn eine Mutter von ihrem kleinen Kind mitten in der Nacht geweckt wurde, denn, klein Amselwesen übte das Morgenpfeifen um 4:00 Uhr früh und wurde so kurzerhand in die Küche verbannt.

Mit Stolz nahm ich das Wachsen der kleinen Schwanzfedern wahr und war bestätigt in meiner Lebensrettungs- und Peppeleigenschaft.

Ich gab ihr Erde zu essen, damit die "Vogelkacke" die richtige Färbung hatte, grub mit Freunden Regenwürmer aus, von denen sie wahrlich schaffte 10 Stück hintereinander zu vertilgen und bekam den ersten kleinen Schreck, als sie ein paar Meter im Freien fliegen konnte. Also musste ich ihr das nicht bei bringen ;-)

So vergingen die Tage, sie wuchs heran und weil ich fand, dass sie viel frische Luft benötigen würde, nahm ich sie im Käfig mit in den Park, breitete eine Decke aus, genoss das schöne Wetter und fand, dass es ihr sicher ein wenig gut täte, wenn sie, wie so oft, ein paar Meter fliegen würde.

Tja und da geschah es. Sie sah einen anderen Vogel und aus den wenigen Metern wurde plötzlich mindestens 10 und mein Schützling saß auf einer hohen Kastanie. Ihr mich rufendes Piepen ließ mir keine Flügel wachsen, aber füllte meine Augen  mit Tränen.

Auf "komm runter" reagierte sie natürlich nicht und die Feuerwehr zu holen, um eine Amsel vom Baum zu holen, wäre auch etwas verrückt gewesen.

"Du kannst doch noch gar keine Würmer alleine finden!" und "in der Nacht ist es kalt" und was auch immer zu rufen, war zwecklos.

Ich fühlte mich so elend und musste irgendwann erkennen, dass mein kleiner, schwarz gefederter Freund nun auf eigenen Beinen und mit eigenen Flügeln sein Leben leben musste. Mit leerem Käfig und am Boden zerstört ging ich nach Hause.

 

So war das damals mit meiner kleinen Amsel: Ein spontaner Beginn und ein apruptes Ende, aber dazwischen ein wunderschönes Erlebnis.

 

 

Autorin: © Elke Paland   Foto: © Elke Paland

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